
Dannebrog is photographed by: Per Palmkvist Knudsen / Wikipedia / Creative Common License
Er sagt nichts
Wer ist „er“?
Früher hatte er einen Namen. Früher hatte er ein Gesicht, oft mit Mütze drauf. Früher hatte er Autorität – und oft auch Humor, manchmal auch Durst. Aber dann ging er in Rente. Oder in Volkspension, wie man in Dänemark sagt. Und an seiner Statt wurde ein neuer Mitarbeiter eingestellt. Der Neue ist nicht nur neu, sondern auch anders. Er kann viel, verschiedene Währungen beherrscht er, mehrere Sprachen (theoretisch), er hat nie Durst, aber futtert gerne Karten. Und er hat weder Humor noch Autorität noch sonstige Worte.
Mit einem dieser neuen Kollegen hatten wir besonders innige Freundschaft geschlossen. Er dient in Kärrebeksminde am Außenhafen, NSK Seite. Dort steht er stoisch und ruhig, gelassen und verwurzelt wie eine dänische Buche vorm Vereinshaus unter einem Dachüberstand. Er kassiert dort das Hafengeld. Und er (oder ist er eine Sie?) tut das zu seinen Bedingungen. Hergestellt wurde sein Innenleben sicherlich irgendwo zwischen Schanghai und Hongkong. Danach hat ihn eine Containerreederei nach Dänemark verfrachtet. Er wurde fotografiert, beworben als zuverlässig, nie krank, 24 Stunden im Dienst, preiswert. Und der NaestvedSejlKlub griff zu und kaufte ihn sich, um ihn als Hafenmeister zu beschäftigen.
Du näherst Dich ihm also. Aha, nur Karten. Bargeld will er gar nicht. Tappst mal auf seinen Touchscreen mit den Händen. Menu geht auf. Oh, das Meisterlein spricht schwedisch, dänisch, deutsch und englisch. Leider kein türkisch – also integrationsfreundlich ist er nicht. Leider auch kein altgriechisch, wenig humanistische Bildung in dem Ding. Na, ja. Wählt man deutsch. Nun stellt er mir einige präzise Fragen. Kein Wort zu viel. Länge vom Boot? Wie viel Tage will ich bleiben? Zack, zack, das ging ja noch gut zu meistern. Es erscheint da ein Betrag, der im üblichen Rahmen des bei unseren nördlichen Nachbarn angesagten Preisniveaus ist. Und wieder eine präzise Frage: Zahlen? Ja, was denn sonst. Jetzt bezahlen. Befehle folgen. Karte einführen! Mache ich, die schöne EC-Karte mit Postbanklogo wandert in einen Schlitz, brav das Chipfeld nach vorne und oben. So wie er es will. Denn da ist er eigen. Falsch rum geht nicht. ---Pause---Er denkt jetzt wohl. Dann beendet er das Denken und meldet ungerührt: Karte unbekannt. Nochmal versuchen…Karte unbekannt. Ein Däne, einer der Eingeborenen, ein Angehöriger seines Importeurvolkes, schaut mir zu. Ich frage nun den echten Menschen: Hvorfor tage han ikke kortet? (Warum nimmt er die Karte nicht?) Der Däne besieht sich meine Karte: Du har ec-kortet. Han accepterer kun Visa. (Du hast eine ec-Karte. Er will aber nur Visa). Ok, ich verstehe. Der Herr ist wählerisch. Na ja, unsere Katze frisst ja auch nicht alles, das von Lidl mag sie nicht. Ich gebe ihm also die Visa in sein Mäulchen. Er denkt wieder. Jaaa, die kennt er, die mag er. Geb PIN ein, so fordert nun. Visa…PIN…da war mal was, aber die kenn ich nicht, die VisaPIN habe ich nie benutzt. Bei Erhard Kiehl muss ich immer nur unterschreiben. …Und nun? Keine PIN, keine Zahlung. Abbrechen. Torsten kommt. Ich erzähl ihm meine Sorgen-während der Däne huschhusch bezahlt, der ist eben auf Du und Du mit seinem Knecht. Torsten hat weder Visa noch sonstwas, nur ec und Bundeswehrspindkarte mit Kantinenfunktion. Puuuh.
Die Frauen müssen uns retten. Meine Frau hat Visa und PIN dabei. Hurra. Es klappt. Ich hab bezahlt. Nun bezahlen wir Torsten. Mit dem Bildschirm werden wir nun virtuos vertraut. Zackzack, bezahlen, Karte rein, Denkpause----Du hast eben schon bezahlt. Irrtum---So vermeldet er. Und spuckt die Karte wieder raus. Zweimal nacheinander dieselbe Karte nimmt er nicht. Tut er einfach nicht. Ist Irrtum. Ist nicht vorgesehen in seinem zwischen Schanghai und Hongkong erdachten Hirn. Da er auch kein altgriechisch kann und nicht über humanistische Bildung verfügt, kann man mit ihm auch nicht über die Tragik des Lebens reden und ihn gnädig stimmen.
Und nun? Der nette Däne weist den einzigen Ausweg: Der i klubhuset ligger kuverter. Og der er et brevkasse. Saa kann Du betale kontant. (Da im Klubhaus liegen Umschläge und ist ein Briefkasten. So kannst Du bar bezahlen.)
Der Fortschritt ist eine Schnecke, die mit Zettel, Briefkasten und Umschlag endet.
Carsten Sauerberg